Das Verdauungssystem des Pferdes
Von Amelie Kokorsky
Der Weg der Nahrung durch das Pferd
Kein Pferd kann längere Zeit ohne Nahrungsaufnahme überleben. Das wird wohl jeder Pferdebesitzer wissen. Aber was passiert eigentlich mit dem Apfel, den wir unserem Pferd gegeben haben, nachdem es ihn in den Mund genommen hat? Und wie gewinnt das Pferd eigentlich Energie aus Gras? Diese Fragen werden wir heute genauer unter die Lupe nehmen.
Maulbereich
Der Weg jeder Nahrung beginnt im Maulbereich der Pferde. Die Tiere stehen auf der Weide oder in der Box und fressen Weidegras oder Heu. Das Gras enthält viele Nährstoffe an die das Pferd aber nicht einfach so herankommt. Um die Nährstoffe im Körper nutzen zu können, müssen viele Stoffwechselprozesse in Gang gebracht werden. Der allererste Schritt ist die Aufnahme des Futters über die Lippen und vorderen Schneidezähne in das Maul des Pferdes. Dabei können Pferde mit ihren Lippen das Futter bestens „vorsortieren“ und sie fressen nur das, was ihnen schmeckt. Dieses Phänomen kennen bestimmt viele Pferdebesitzer, die schon mal versucht haben, ihren Vierbeinern heimlich eine Tablette unter das Futter zu schmuggeln. Die Pferde schaffen es tatsächlich fast alles vom Futter aufzufressen und nur die kleinen Tabletten im Trog zurückzulassen. Für die Besitzer manchmal nervig, doch für die Pferde sehr wichtig. In der Natur können die Tiere so ganz genau aussortieren, was ihnen gut tut und was sie lieber nicht fressen sollten. Wildpferden ist es so auch möglich, zwischen kargen, steinigen Felsen kleine Grasbüschel zu finden und sie aus den Steinen auszusortieren. Eine geniale Erfindung der Natur.
Tipp: Beobachtet im Zoo mal den Umgang der Elefanten mit ihren Rüsseln. Auch diese Riesen sind enorm feinfühlig und können ihre Nahrung ebenfalls ohne Probleme sortieren.
Mit den Schneidezähnen können die Pferde auch kurzes Gras noch bestens „abknabbern“. Die Zunge schiebt die aufgenommene Nahrung im Maulbereich langsam hin und her nach hinten in Richtung der Backenzähne. Die Backenzähne haben eine deutlich größere und flachere Oberfläche als die Schneidezähne und können selbst härtere Strohhalme zermahlen. Sollte das Pferd versehentlich doch ein Nahrungsbestandteil aufgenommen haben, welches nicht auf seinem Speiseplan steht oder dem Tier schaden könnte, wie zum Beispiel eine Giftpflanze, kann dieser Teil der Nahrung über die Seite aus dem Maul heraus transportiert werden. Im Maulbereich wird die Nahrung zudem ordentlich eingespeichelt. Der Speichel und dessen Menge ist von Pferd zu Pferd sehr individuell, hat aber mehrere essentielle Funktionen für das Tier. Zum einen enthält der Speichel wichtige Enzyme, die später wichtig sind, um Eiweiße verdauen zu können. Zum anderen dient der Speichel am Futter als Pufferfunktion im Magen. Der pH-Wert im Magen wird durch den eingespeichelten Nahrungsbrei besser geregelt. Ohne Speichel würde der Magen schnell zu sauer werden -dies kann Krankheiten am Magentrakt begünstigen. Kaut das Pferd nicht ausreichend, wird die Nahrung nicht genug eingespeichelt und bleibt damit trockener und härter - es entsteht kein schleimiger Nahrungsbrei. Die trockene Nahrung gelangt viel umständlicher durch die lange Speiseröhre des Pferdes und kann dort sogar stecken bleiben. Eine Schlundverstopfung kann entstehen.
Tipp: Geduld beim Füttern der Pferde mitbringen. Manche Pferde wirken beim Fressen wie richtige Genießer und das ist auch gut so! Gerade bei Kraftfutterrationen macht das Pferd viel weniger Kaubewegungen als beim Fressen von Heu. Daher sollte man die Tiere keinesfalls dazu animieren, schneller zu fressen. Ganz im Gegenteil: Es ist sogar optimal (bei hastigen Fressern) ein wenig Heu mit unter das Kraftfutter zu mischen, damit die Pferde auch beim Kraftfutter mehr kauen müssen.
Hat ein gesundes Pferd sein Futter ausgiebig zerkleinert und eingespeichelt, wird der Nahrungsbrei abgeschluckt und gelangt in den Schlund.
Schlund
Der Schlund stellt den Übergang vom Maul zum Magen dar. Je nach Größe des Pferdes ist der Schlund etwa 120-150 Zentimeter lang. Der Durchmesser ist mit etwa 1,5 Zentimetern relativ klein und der Grund dafür, warum Pferde schnell zu einer Schlundverstopfung neigen. Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Pferde sich, im Gegensatz zu uns Menschen, nicht übergeben können, wenn ihnen übel ist. Hört sich im ersten Moment vielleicht gar nicht schlecht an. Doch im Umkehrschluss bedeutet es auch, dass alles was einmal im Magen gelandet ist, nur noch über den weiteren Verdauungsweg ausgeschieden werden kann. Ein möglicher Giftstoff verweilt daher lange im Körper des Pferdes und muss dessen Verdauungstrakt komplett passieren. Die Natur hat diesen Vorgang aber nicht ohne Grund „erfunden“. Sieht man eine Pferdeherde auf einer Wiese, fällt einem auf, dass die meisten Tiere ununterbrochen fressen können, ohne ihren Kopf zum Schlucken heben zu müssen. Das stellt für das Pferd als „Dauerfresser“ wieder einen großen Vorteil dar. Schluckt das Pferd also einmal ordentlich, wird der Nahrungsbrei durch den Schlund transportiert und landet am Ende dieses Schlauches im Magen.
Magen
Schaut man sich sein Pferd an, kommt man schnell auf den Gedanken, dass der Magen bei der Größe des Tieres recht groß sein muss. Doch die Anatomie des Pferdes zeigt etwas ganz anderes. Der Pferdemagen ist im Verhältnis zum Pferd relativ klein und kann nur geringe Mengen Nahrungsbrei auf einmal aufnehmen.
Tipp: Füttere über den Tag verteilt viele kleine Portionen und vermeide lange Fresspausen. Wenige große Portionen mit langen Fresspausen sollten verhindert werden.
Wegen der geringen Größe des Magens bleibt der Nahrungsbrei nur etwa 2-6 Stunden im Magen und setzt dann die Reise zum Dünndarm fort. Lange Fütterungspausen sollten vermieden werden, denn der Pferdemagen ist unter guten Fütterungsbedingungen eigentlich nie ganz leer. Das Pferd ist von Geburt an ein „Dauerfresser“. Sein ganzer Verdauungstrakt ist darauf ausgelegt, ständig Nahrung zu verdauen. Wird dem Pferd das Futter über einen längeren Zeitraum gestrichen, verweilt der Nahrungsbrei automatisch länger im Magen und es kann zu Fehlgärungen kommen. Diese Fehlgärungen können dem Tier schaden und zu Krankheiten am Magentrakt führen. Einem zu dicken Pferd das Futter zu streichen ist also definitiv der falsche Weg. Das Pferd wird sehr wahrscheinlich abnehmen, aber das Risiko krank zu werden, kann sich stark erhöhen. Der Magen des Pferdes kann bis zu 30 Liter Magensäure am Tag produzieren. Die Produktion wird auch dann nicht gestoppt, wenn der Magen wegen falscher Fütterung leer ist! Eine dicke Schleimhaut im Magen schützt vor der natürlich produzierten Magensäure, sodass der Magen sich quasi nicht selber verdauen kann. Die Säure im Magen schwimmt im Idealfall auch nicht als einzelne Säure im Magen, sondern vermischt sich mit dem ständig zugeführten Nahrungsbrei. Kann das Pferd jedoch keine weitere Nahrung zu sich nehmen, wird der Magen langsam geleert und die Magensäure bleibt ohne Bindemittel zurück. Passiert dies zu häufig, kann auch die dicke Magenschleimhaut von der Säure angegriffen werden - der Magen übersäuert und Krankheiten können entstehen.
Tipp: Um eine optimale Verdauung von Kraftfutter gewährleisten zu können, sollte man 30 Minuten VOR der Kraftfuttergabe Raufutter gefüttert haben. Proteine aus dem Kraftfutter können dann deutlich besser verwertet werden.
Auch die Aufnahme von genügend Wasser gehört zur täglichen Nahrungsaufnahme dazu. Dabei verweilt das aufgenommene Wasser allerdings nur ganz kurz im Magen und wird mehr oder weniger gleich in den Dünndarm weiter geschleust.
Dünndarm
Der Aufbau des Dünndarms teilt sich in drei Abschnitte auf, welche jeweils unterschiedliche Aufgaben in der Verdauung haben. Auf diese werden wir später genauer eingehen. Der Dünndarm der Pferde kann 20-30 Meter lang werden und das Volumen kann bis zu 60 Liter betragen. Beide Zahlen klingen erst mal sehr hoch, doch im Verhältnis zum Körpergewicht eines Pferdes ist der Dünndarm doch relativ klein. Das Passieren des Nahrungsbreies durch den Dünndarm geht auch erstaunlich schnell. Im Durchschnitt verweilt der Brei nur etwa 45 Minuten im Dünndarm. Bedenkt man noch einmal die Länge des Organes wird einem bewusst, wie schnell der Nahrungsbrei sich durch den Dünndarm bewegt. Hier spielt das Thema der ständigen Verfügung von Futter auch eine wichtige Rolle, denn nur wenn das Pferd ständig Futter zu sich nimmt, bewegt sich der Nahrungsbrei in einer Zeit von etwa 45 Minuten durch den Dünndarm. Sind die Fresspausen zwischen den Mahlzeiten zu lang, rutscht das Futter zu schnell durch den Dünndarm. Im Normalfall sollte sich der Nahrungsbrei etwa 30 cm pro Minute in Richtung Dickdarm bewegen. Diese Geschwindigkeit ist aber auch von der Größe der Nahrungsteile im Dünndarm abhängig. Je kleiner die Nahrungsbestandteile sind, desto langsamer bewegen sie sich im Dünndarm vorwärts. Größere Nahrungsbestandteile bewegen sich hingegen deutlich schneller durch den Darmtrakt. Kraftfutter, wie Hafer, wird von vielen Pferden nahezu verschlungen und nur wenig zerkaut, sodass die Nahrungsbestandteile nur kurz im Dünndarm verweilen.
Tipp: Das Pferd sollte auch das Kraftfutter ordentlich kauen. Man kann dem Pferd große Steine mit in die Krippe legen, sodass es nur kleine Portionen aufnehmen kann und länger braucht um die Kraftfuttermenge zu fressen. Auch das Beimischen von Heu hilft, die Kaubewegungen zu erhöhen. Ich füttere meinem Pferd gerne ein paar Sonnenblumenkerne bei, damit er etwas mehr kaut und seinen Hafer nicht verschlingt.
Auch das Timing der Kraftfuttergabe sollte stimmen. Das Pferd sollte sein Kraftfutter am besten immer nach der Gabe von Raufutter bekommen. Gerade nach längeren Fresspausen ist die Reihenfolge umso wichtiger, denn ansonsten wird das Kraftfutter fast unverdaut wieder ausgeschieden und die wichtigen Nährstoffe können vom Verdauungstrakt nicht aufgenommen werden. Das Kraftfutter verliert damit einen Teil seiner Funktion und Aufgabe.
Tipp: Reihenfolge beachten: Erst Raufutter, dann Kraftfutter!
Da Kraftfutter trotz aller Bemühungen den Dünndarm schneller passiert als Raufutter, ist es sinnvoll, über den Tag verteilt mehrere kleine Portionen zu füttern, anstatt einmal eine große Portion.
Bevor es zu den einzelnen Abschnitten des Darms geht, schauen wir uns eine spannende Erfindung der Natur an: Die Oberflächenvergrößerung. Der Dünndarm hat eine sehr große Oberfläche, die dafür zuständig ist, Nährstoffe aus dem Nahrungsbrei herauszufiltern. Eine große Oberfläche ist also sehr wichtig für die Aufnahme der Nährstoffe aus der gefressenen Nahrung. Man kann sich den Dünndarm wie einen Schlauch mit unheimlichen vielen Falten und Kurven vorstellen. In diesen Falten liegen am Inneren der Dünndarmwand viele kleine Zotten, welche die Oberfläche des Dünndarms nochmal um ein vielfaches vergrößern. Der Aufbau des Inneren einer Dünndarmwand ähnelt ein wenig dem Aussehen eines Massageballs/ Igelballs mit vielen kleinen Zotten an der Oberfläche. Das Prinzip der Oberflächenvergrößerung mit den vielen Falten sieht man noch heute bei einigen Heizkörpern im Haus. Auch diese Heizungen haben oft Wellen oder Einstülpungen an der Oberfläche, um die wärmende Oberfläche zu vergrößern. Der Feinaufbau des Dünndarms erklärt die effektive Arbeit des Organs.
Zwölffingerdarm
Der Darm hätte theoretisch ein großes Problem mit dem Nahrungsbrei, der direkt aus dem Magen in den Dünndarm gelangt, denn dieser Brei ist vom pH-Wert viel zu sauer. Die Verdauungsenzyme im Dünndarm würden bei einem solch sauren Milieu absterben. Der Zwölffingerdarm ist der erste Abschnitt des Dünndarms. Er grenzt also direkt an den Magenausgang und nimmt den Nahrungsbrei von dort auf. An dieser Stelle befinden sich auch die Eingänge der Bauchspeicheldrüse. Die Bauchspeicheldrüse ist für den gesamten Dünndarm enorm wichtig, denn sie schüttet Sekrete aus, welche den Nahrungsbrei neutralisieren und damit den pH-Wert steigern. Bei einem deutlich hohen pH-Wert können die Verdauungsenzyme ihre Arbeit vollziehen und mit den Verdauungsprozessen beginnen. Auch die Schleimhaut im Zwölffingerdarm produziert Schleime, die sich mit dem Nahrungsbrei verbinden und diesen auf dem Weg durch den gesamten Dünndarm noch stärker neutralisieren. Aufgenommener Zucker und Aminosäuren werden gleich zu Beginn des Dünndarms, im Abschnitt des Zwölffingerdarms, gespalten. Die Spaltung ist wichtig, da die großen Zuckermoleküle nicht von der Darmschleimhaut aufgenommen werden können. Damit Zucker also die Reise durch den Organismus vorsetzen kann, muss er zuerst von Verdauungsenzymen in kleinere Zuckerketten gespalten werden.
Leerdarm
Die eigentliche Aufnahme der Nährstoffe geschieht im Leerdarm. Hier ist der pH-Wert des Nahrungsbreis noch ein wenig gestiegen, denn der Brei hat sich mit dem Schleim aus der Dünndarmwand verbinden können. In diesem Abschnitt des Darms geht es nicht mehr um die Spaltung der Nahrungsbestandteile, sondern vielmehr um die Aufnahme der Nährstoffe. Die Darmwand des Leerdarms fügt dem Nahrungsbrei Wasser hinzu, damit dieser wieder etwas flüssiger wird. Werden die Drüsen in der Leerdarmwand zu sehr angesprochen, wird dem Nahrungsbrei zu viel Wasser hinzugefügt und es entsteht Durchfall. Es gibt viele Darmkrankheitserreger, die die Schleimhautdrüsen zu sehr reizen und am Ende zu Durchfall führen können. Der wichtigste Abschnitt ist das Ende des Leerdarms, denn hier werden dem Nahrungsbrei am meisten Nährstoffe entzogen und weitergeleitet.
Hüftdarm
Der Hüftdarm bildet den letzten Abschnitt des Dünndarms und hat eine wichtige Funktion beim Übergang vom Dünndarm in den Dickdarm. Am Ende des Hüftdarms gibt es eine Art Ventil - dieses Ventil ist aber eine „Einbahnstraße“. Das Ventil lässt also nur eine Bewegungsrichtung zu: Die Bewegung des Nahrungsbreies vom Dünndarm in den Dickdarm. Es ist im gesunden Zustand folglich nicht möglich, dass Nahrungsbestandteile aus dem Dickdarm wieder zurück in den Dünndarm gelangen können. Dieses Ventil steht nicht die ganze Zeit über offen, sondern gibt schubweise kleine Portionen Nahrungsbrei in den Dickdarm ab. Danach verschließt es sich direkt wieder und ein Rückfluss ist nicht möglich. Sollte dieses Ventil mal nicht richtig schließen können oder aber der Ablauf von Öffnen und Schließen ist gestört, kann Nahrungsbrei vom Dickdarm in den Dünndarm gelangen. Dies kann ebenfalls zu Durchfall oder Entzündungen führen.
Dickdarm
Das Pferd ist ein Pflanzenfresser. Seine Hauptnahrungsquelle besteht also aus Pflanzen wie Weidegras und Heu. Um aus diesen Pflanzen Energie gewinnen zu können, muss der Verdauungstrakt viel Arbeit leisten, denn die Energie, welche in den Pflanzen steckt, steht dem Pferd nicht einfach so zur Verfügung. Die Aufspaltung der aufgenommenen Nahrung, um die „versteckte“ Energie verfügbar zu machen, findet im Dickdarm statt. Im Dickdarm befinden sich unheimlich viele Darmbakterien, Pilze und Protozoen, die bei der Spaltung der Kohlenhydrate helfen. In diesem Fall ist es also gut und sogar überlebenswichtig, dass das Pferd Bakterien und Pilze in sich trägt. Man kann sich die Bakterien und Pilze als Helfer vorstellen. Die Bakterien und Pilze spalten die langen Kohlenhydratketten so lange, bis der Organismus sie aufnehmen und zur Energiegewinnung verwerten kann. Der Prozess der Spaltung läuft dabei deutlich langsamer ab als die enzymatischen Prozesse im Dünndarm. Der Nahrungsbrei bleibt daher deutlich länger im Dickdarm und bewegt sich langsamer voran. Die Bewegung des Nahrungsbreis wird primär über Kontraktionen des Dickdarms gesichert. Der Dickdarm hat in einem gesunden Zustand eine eigene Beweglichkeit, welche zum einen den Nahrungsbrei voran schiebt und zum anderen dafür sorgt, dass der Nahrungsbrei im Dickdarm immer wieder neu durchmischt wird. Der Dickdarm ist in viele kleine Bereiche unterteilt. Der Nahrungsbrei wird dabei immer von einem Abschnitt in den nächsten „geschoben“. Auch hier geht die Bewegung des Nahrungsbreis nur in eine Richtung - Richtung Anus. An manchen Stellen verengt sich der Darm oder Darmabschnitte werden von Ventilen getrennt, sodass Verstopfungen entstehen können. Man kann es sich wie einen langen Zug mit vielen Passagieren vorstellen. Dieser Zug ist durch Türen in einzelne Abteile getrennt und nur am Ende des Zuges befindet sich ein Ausgang. Alle Passagiere wollen Richtung Ausgang gehen. Öffnet und schließt eine der Türen zwischen den Abteilen nun falsch, kann es zu „Verstopfungen“ kommen, denn die Bewegung der Passagiere wird blockiert.
Im Dünndarm war die Verweildauer abhängig von der Portionsgröße, die das Pferd zuvor aufgenommen hat. Im Dickdarm spielt in Bezug auf die Verweildauer die Größe der Nahrungsbestandteile und deren physikalische Form eine größere Rolle. Sind die Futterpartikel zu klein, bleiben sie länger als üblich im Dickdarm. Aber auch große Partikel (über 2cm) bleiben länger im Dickdarm. Bei zu großen Partikeln kann es durch die verlängerte Verweildauer im Dickdarm zu Fehlgärungen kommen. Die großen Futterpartikel können bis zu einer Woche im Dickdarm verbleiben und dann anfangen zu gären. Stroh oder Futtermittel mit höherem Holzanteil passieren den Dickdarm schneller als eine reine Heufütterung. Auch eine reine Gabe von Kraftfutterportionen würde die Darmpassage deutlich erhöhen. Füttert man dem Pferd qualitativ gutes Heu, liegt die Verweildauer des Nahrungsbreis im Dickdarm bei etwa 21-40 Stunden. Die Zeit variiert je nach Zufütterung von Kraftfutter(mengen). Eine optimale Verweildauer im Dickdarm erhöht auch die Nährstoffverwertung aus dem gefressenen Futter.
Tipp: Auch hier gilt: Eine optimale Verweildauer im Dickdarm und damit eine gute Verwertung der Nährstoffe ist bei einer Fütterung von ständiger Heuzufuhr und kleinen Kraftfutterportionen gegeben.
Im weiteren Verlauf beschreiben wir die einzelnen Abschnitte des Dickdarms noch etwas genauer. Wir schauen uns die einzelnen Zugabteile und die passenden Türen noch etwas genauer an.
Blinddarm
Der Blinddarm ist ein Abschnitt des Dickdarms. Er bildet den Übergang zwischen Dünndarm und Dickdarm. Er hat eine Länge von etwa einem Meter und kann damit ungefähr 33 Liter umfassen (kann je nach Größe des Pferdes variieren). Am Anfang und am Ende des Blinddarms sind Ventile, welche die Bewegung des Nahrungsbreis kontrollieren. Der Blinddarm bildet mit beiden Ventilen ein Zugabteil mit zwei Türen. In diesem Abschnitt des Darms werden die Bakterien unter den Nahrungsbrei gemischt. Die Fermentation der Nahrung kann beginnen. Damit der Nahrungsbrei sich gut mit den Bakterien vermischen kann, ist die Bewegung im Blinddarm relativ langsam. Sind Bakterien und Nahrungsbrei gut vermischt, geht es weiter in Richtung Grimmdarm.
Grimmdarm
Die Form des Grimmdarms passt total zu seinem „Träger“, denn der Grimmdarm liegt im Pferd in Form eines Hufeisens. Er ist zehn Meter lang und kann mit dieser Länge auch das doppelte Volumen des Blinddarms umfassen. Bei dieser Länge macht der Grimmdarm einige Kurven in der Bauchhöhle der Pferde. An diesen Kurven kommt es schnell zu Verengungen und daher kann es in diesem Bereich schnell zu Verstopfungen kommen. Die Länge ist aber wichtig, denn im Grimmdarm wird der Nahrungsbrei fermentiert und die einzelnen Futterbestandteile werden gespalten. Die kleinen Zuckermoleküle werden aufgenommen und stehen zur Energiegewinnung zur Verfügung. In diesem Darmabschnitt werden aber auch Vitamine, Spurenelemente und Fettsäuren aus dem Nahrungsbrei gefiltert und aufgenommen. All diese Prozesse sind aufwendig und brauchen viel Zeit, sodass die Länge des Grimmdarms schnell erklärt ist. Die vorangegangenen Abschnitte des Darms sollten schon ordentlich gearbeitet haben. Gelangt unverdautes Kraftfutter in den Grimmdarm kann es zwar noch weiterverdaut werden, aber es können auch Fehlgärungen entstehen.
Wie im Unterkapitel des Leerdarms beschrieben, fügt der Leerdarm dem Nahrungsbrei Wasser hinzu. Damit das Pferd über den Kot jedoch nicht zu viel Wasser verliert, wird im letzten Abschnitt des Grimmdarms dem Nahrungsbrei das Wasser wieder entzogen.
Mastdarm
Der Mastdarm bildet das Ende vom Dickdarm. In ihm landen alle Nahrungsbestandteile, die bis hierhin nicht verdaut werden konnten. Dieser Darmabschnitt ist nur etwa 30 cm lang und damit im Verhältnis zu den anderen Abschnitten sehr kurz. Eine Erklärung, warum das Pferd so oft Kot absetzt. In dem Mastdarm werden die typischen Pferdeäpfel geformt und dem Kot wird das restliche Wasser entzogen.
Der Darm mit einer Gesamtlänge von insgesamt etwa 25-39 Metern, ist für das Pferd ein lebenswichtiges Organ. Genau genommen sind es ja eigentlich zwei Organe - der Dünndarm und der Dickdarm.
Der Verdauungstrakt des Pferdes ist, wie oben bereits beschrieben, ein sehr komplexes und fein abgestimmtes System. Leider verbergen sich hinter diesem empfindlichen Organsystem auch einige Krankheiten, wenn das Pferd über einen längeren Zeitraum nicht artgerecht gefüttert wird. Bezogen auf den Darm, gehen wir im weiteren Verlauf auf die drei häufigsten Darmerkrankungen beziehungsweise die häufigsten Symptome ein.
Durchfall: Die Ursache von Durchfall ist sehr vielfältig. Zum einen kann Durchfall an der Überreizung der Drüsen im Leerdarm liegen (siehe Abschnitt Leerdarm): Die Schleimdrüsen fügen dem Nahrungsbrei zu viel Wasser hinzu und es kann Durchfall entstehen. Zum anderen kann eine Ursache für Durchfall auch in einem oder mehreren Abschnitten des Dickdarms liegen, zum Beispiel, wenn dem Kot im Mastdarm nicht genug Wasser entzogen wird. Dann härtet der Kot nicht vollständig aus und das Pferd scheidet statt typischer Pferdeäpfel Durchfall aus.
Kotwasser: Auch bei Kotwasser ist die Ursache bis heute noch nicht 100% geklärt. Eine Theorie für die Entstehung von Kotwasser ist ein übersäuertes Darmmilieu. Durch Fütterung von siliertem Futter, wie zum Beispiel (Heu)- Silage, kann sich der pH- Wert im Darm ändern und der Darmtrakt kann „übersäuern“. Meist ist der Dickdarm am stärksten „übersäuert“ und es können Fehlgärungen im Trakt des Dickdarmes entstehen. Diese Fehlgärungen können dann zu dem typischen Kotwasser, der schwarzbraunen sauren Flüssigkeit nach dem Absetzen von Kot, führen. Auch der Faktor Stress könnte als Ursache für Kotwasser gelten. Durch Stress können Durchblutungsstörungen im Verdauungstrakt entstehen. Dem Nahrungsbrei und Kot kann dann nicht genug Wasser entzogen werden und das Pferd scheidet zusätzlich zum Kot oder aber auch isoliert, Kotwasser aus. Es besteht die Vermutung, dass Stress auch zu Entzündungen an der Darmschleimhaut führen kann. Diese Entzündungen können zu fehlerhaften Verdauungsprozessen führen und es kann Kotwasser entstehen. Momentan geht man davon aus, dass die Ursache von Kotwasser meistens aus einer Reihe von Ursachen besteht und damit ein multifaktorielles Symptom darstellt.
Magengeschwüre: Wie der Name der Krankheit schon sagt, hat das Magengeschwür etwas mit dem Organ Magen zu tun. Die Entstehung eines Magengeschwürs hat meistens etwas mit einer fehlerhaften Fütterung zu tun. Gibt man dem Pferd zu viel Kraftfutter auf einmal, kann dies zu einem veränderten pH-Wert im Magen führen und die Entstehung von Magengeschwüren kann begünstigt werden. Eine noch wichtigere Ursache ist aber das Futtermanagement, denn lange Futterpausen können ebenso zu Magengeschwüren führen. Die Kautätigkeit und damit auch die Speichelproduktion sind bei knappem Nahrungsangebot reduziert. Durch diese Reduktion kann der pH-Wert im Magen des Pferdes sinken und saurer werden. In solch einem Milieu ist das Risiko höher an einem Magengeschwür zu erkranken.
Kolik: Eine Kolik ist eigentlich gar keine Krankheit, sondern eher ein Symptom. Man kann Kolik im einfachen Sinn mit „Bauchschmerzen“ übersetzen. Mit dieser Übersetzung wird dann auch schnell klar, dass die Entstehung von Bauchschmerzen beim Pferd sehr unterschiedlich sein kann. Bezogen auf den Verdauungstrakt gibt es zum Beispiel die Gaskolik und die Obstipation (Verstopfung). Als Ursache für diese Kolikformen können Fütterungsfehler in Betracht gezogen werden. Lange Raufutterpausen sind ebenfalls schlecht und können die Entstehung einer Kolik begünstigen. Auch eine schlechte Futterqualität, beispielsweise durch Schimmel im Futter oder eine falsche Fütterung wie beispielsweise zu viel (Heu)-Silage können zu einer Kolik führen. Manche Pferde fressen (durch ein zu geringes Angebot an Raufutter) ihr Einstreu wie Späne oder Pellets auf. Die Aufnahme von Einstreu kann zu einer Obstipation führen. Vorsichtig ist auch bei der mangelnden Aufnahme von Wasser geboten, denn bei geringer Wasseraufnahme oder aber stark verschmutzen Wasser, kann es zu einer Kolik kommen. Solltest du eine (beginnende) Kolik bei deinem Pferd vermuten, solltest du sofort den Tierarzt rufen, denn eine Kolik kann schnell zu einer lebensbedrohlichen Situation für das betroffene Pferd werden.
Es gibt noch viele weitere Erkrankungen und Symptome, die den Verdauungstrakt des Pferdes negativ beeinflussen können. Mit den drei häufigsten Krankheiten wird aber deutlich, wie wichtig eine korrekte Fütterung bei Pferden ist und wie empfindlich der Verdauungstrakt auf Änderungen in der Fütterung reagieren kann. Es handelt sich bei der Auswahl der Krankheiten und bei der Ursachenerklärung nur um einen kurzen Einblick in die Pathologie des Verdauungstraktes.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Weg des Futters durch das Pferd und dessen Verdauungstrakt sehr komplex und lang ist. Viele Prozesse hängen voneinander ab und regeln den Ablauf der Verdauung. Kaum ein Organ(abschnitt) kann ganz alleine betrachtet werden, da die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Organen und ihren Abschnitten eng miteinander verbunden und stark voneinander abhängig sind. Um auf den Vergleich mit dem Zug zurückzukommen: Ist ein Abteil kaputt, bleibt der ganze Zug stehen. Ist also ein Teil des Verdauungstraktes nicht in Ordnung, kann es dem Pferd schlecht gehen und der gesamte Verdauungsprozess ist negativ beeinträchtigt.
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